Da die Einheit zu der KSW-Frage „Macht Haribo Kinder froh?“ ein offenes Lernangebot darstellt, bei dem jede* Schüler*in eine individuelle Antwort auf die Frage finden kann, „steigt die erforderliche Fachlichkeit“ (Peschel, 2014, S.76). Dementsprechend sollte die Lehrperson neben einem methodischen und didaktischen Wissen zu einer Einheit auch den fachlichen Hintergrund der Thematik kennen. In diesem Kapitel wird ein inhaltlicher Überblick[1] gegeben, der je nach Schwerpunktsetzung der Schüler*innen erweitert werden sollte. Das Kreismodell visualisiert diesen Überblick und zeigt die Themenbereiche, sowie die Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen nach der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (2013). Die Aufgabe der Lehrperson ist es folglich, eine Perspektivenvernetzung zu ermöglichen.
Als Ausgangspunkt dient die Bedeutung der Marke „Haribo“, welche den Lernenden aus ihrer eigenen Lebenswelt bekannt ist. Dazu kann gesagt werden, dass die Popularität nicht nur auf Deutschland zutrifft, sondern global gesehen gilt Haribo als „Weltmarktführer im Fruchtgummi und Lakritzbereich“ (Haribo GmBH & Co.KG., 2022). Die Gummibärchen gehören zu der Lebensmittelgruppe Süßwaren, welche sich dadurch auszeichnet, dass ihr „[w]esentlicher und geschmackgebender Bestandteil […] Zucker“ (Anm. der Verfasserinnen, LGL, 2019) ist. Die Süßwarenindustrie ist in Deutschland sehr gewinnbringend, denn der „rechnerische Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei über 24,8 Kilogramm im Jahr“ (statista, 2022). Grundlegend für den hohen Umsatz und den Bekanntheitsgrad der Marke „Haribo“ ist die einschlägige Werbung, die vor allem im Fernsehen zu sehen ist. Eine Studie der Universität Hamburg (2020), die sich mit dem Medienkonsum von Kindern im Alter von drei bis dreizehn Jahren beschäftigte, ergab, dass die Lebensmittelwerbung hauptsächlich ungesunde Lebensmittel vermarktet (vgl. AOK Bundesverband, 2021). Folglich sehen medienkonsumierende Kinder im Durchschnitt täglich „15 Werbesports oder Anzeigen über ungesunde Lebensmittel“ (ebd.). Die Ergebnisse einer WHO-Studie (2021) zeigen zusätzlich, dass die Adipositasrate bei Kindern im Grundschulalter verhältnismäßig hoch ist. Aus diesem Grund gibt es politische Handlungskonzepte, die auf der einen Seite die Versteuerung von zuckerhaltigen Lebensmitteln und die Bedeutung des Sportunterrichtes umfassen, aber auch die Einschränkung von Werbung über ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, miteinschließen (vgl. WHO, 2021). Insbesondere die schwerwiegenden Auswirkungen auf den Körper durch einen zu hohen Zuckerkonsum sind hierbei in den Blick zu nehmen.
Durch den Konsum von Zucker kann die Krankheit „Adipositas“ entstehen, bei der „eine über das normale Maß hinausgehende Vermehrung des Körperfettgehalts mit krankhaften Auswirkungen“ (Sticker; Grosser, 2016, S.17) auftritt. Diese Krankheit kann zu Folgekrankheiten, wie Diabetes mellitus Typ 2 führen (vgl. ebd.). Unter der chronischen Zuckerkrankheit „Diabetes mellitus“ leiden circa 30.000 Kinder und Jugendliche. Diese müssen sich das fehlende Hormon „Insulin“ täglich zuführen, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren (vgl. ebd., S.51).
Eine direkt auftretende Folge des zu hohen Zuckerkonsums ist die Entstehung von Karies. Durch bestimmte Bakterienarten entsteht eine „Zerstörung der Zahnhartsubstanz“ (Rahman, 2017, S.122). Bei Nichtbehandlung von Karies kann es im schlimmsten Fall zum Verlust des Zahns kommen (vgl. ebd.). Aus diesem Grund sollten Kinder Zahnpflege präventiv durchführen, um ihre Mundhygiene zu wahren und den übermäßigen Konsum von Zucker einschränken. Dies ist thematisch von Bedeutung, da Haribo-Goldbären ungefähr zur Hälfte aus Zucker bestehen (vgl. Haribo GmbH & Co. KG. 2022). Trotz der aufgeführten Folgen eines übermäßigen Verzehrs, ist die Hauptzutat dieser Gummibärchen seit 100 Jahren Zucker (vgl. ebd.). Geographisch gesehen ist die Zuckerrübe ein lokales Erzeugnis, da sie auf dem Rübenacker in Deutschland angebaut werden kann (vgl. Wirtschaftliche Vereinigung Zucker e.V., 2020). Es ist jedoch unklar, ob die Marke „Haribo“ diesen ressourcenschonenden Anbau in Deutschland nutzt, da keine diesbezüglichen Informationen gegeben sind.
Demgegenüber ist ersichtlich, dass der Anbau nicht aller Zutaten so nachhaltig erscheint, denn das zum Ummanteln der Gummibärchen genutzte Carnaubawachs wird im tropischen Brasilien angebaut. Nicht nur die Transportwege, sondern auch die Arbeitsbedingungen vor Ort sind bedenklich (vgl. Jost; Fuchs, 2017). Auf der einen Seite entspricht der Import von Lebensmitteln nicht dem gewünschten Nachhaltigkeitsaspekt und auf der anderen Seite weisen die Carnauba-Farmen aus sozialwissenschaftlicher Perspektive menschenunwürdige Umstände auf. Beispielsweise arbeiten die Angestellten bei sehr hohen Temperaturen, mit schweren Werkzeugen und tragen dabei keine Schutzkleidung (vgl. ebd.). Dazu kommt, dass auf diesen Farmen auch Schwarzarbeit betrieben wird, von der Minderjährige nicht ausgeschlossen werden (vgl. ebd.). Dennoch wird auf fast allen Haribo-Packungen das Carnaubawachs als Zutat gelistet. Es ist fraglich, weshalb nicht vollständig auf die Alternative „Bienenwachs“ zurückgegriffen wird, welche weniger umstritten ist. Diesbezüglich lässt sich die Diskussion der veganen Alternativen anbringen, bei denen die Alternative „Bienenwachs“ keine Option darstellt. 1929 kam bereits das erste vegetarische Produkt auf den Markt und heutzutage gibt es insgesamt circa 40 vegetarische und vegane Auswahlmöglichkeiten (vgl. Haribo GmbH & Co. KG., 2022). Aufgrund des aktuell steigenden Nachhaltigkeitsbewusstseins will Haribo der Nachfrage nach einer breiteren vegetarischen und veganen Produktauswahl auch in Zukunft nachgehen.
Auch die Verwenden der Zutat „Gelatine“, die aus tierischen Erzeugnissen gewonnen wird, kann im Sinne eines nachhaltigen Herstellungsprozesses diskutiert werden, denn Gelatine ist „ein reines, kollagenes Eiweiß“ (GME, 2018), welches aus der unter der Haut liegenden Schweinescharte hergestellt wird. Oftmals steht die nicht artgerechte Haltung der Schweine in der Kritik, denn diese werden auf kleinstem Raum gehalten, „haben entzündete Augen, leben offensichtlich in ihren eigenen Exkrementen und sind übersäht mit Blessuren“ (Jost; Fuchs, 2017). Es ist zwar keine direkte Verbindung solcher deutschen Fabriken zu Haribo aufzuführen, dennoch deuteten Nachforschungen den Zusammenhang zu den beliebten Gummibärchen an (vgl. ebd.). Nicht nur bei einer vegetarischen oder veganen Ernährungsweise wird auf Gelatine verzichtet, sondern es gibt auch religiöse Gründe, die den Verzehr von dieser Zutat verwehren. Demnach sind Erzeugnisse vom Schwein nicht halal, sodass Muslim*innen die typischen Haribo-Goldbären nicht konsumieren. Als Alternative dienen die veganen bzw. vegetarischen Produkte sowie Gummibärchen aus Rindergelatine (vgl. Haribo GmbH & Co. KG.).
Als geringster Bestandteil der Haribos werden Aromastoffe, Zitronensaft und Fruchtsaft aufgeführt (vgl. Jost; Fuchs, 2017). Entgegen des Scheins Haribo sei ein gesundes Produkt, indem ein Bezug zu verschiedenen Obstsorten hergestellt wird, wird der Geschmack durch Aromastoffe künstlich hergestellt. Obwohl Obstsorten, wie Äpfel oder Himbeeren plakativ auf die Verpackung gedruckt werden, besteht das Aroma aus Fruchtsaftkonzentrat (vgl. ebd.). Bei dem Vorgang Fruchtsaft aus Fruchtsaftkonzentrat herzustellen, gehen die Vitamine der Früchte verloren (vgl. ebd.). Überdies werden die Früchte aus Ländern wie Chile, Südafrika oder der Türkei importiert, denn diese werden „in Deutschland nicht kommerziell angebaut“ (Klink et al., 2016, S.227). Wie bereits erläutert, weist der Import von Lebensmitteln im Hinblick auf den ökologischen Fußabdruck Schwierigkeiten auf. Außerdem sind auch hier die Arbeitsbedingungen und der Anbau der Pflanzen kritisch. Die enthaltene und den Geschmack der Aromen vollendende Zitronensäure bedingt in Kombination zum Konsum von Zucker eine höhere Anfälligkeit für Karies. Die Zitronensäure ist „in hoher Konzentration in Zitrusfrüchten“ (Syldatk; Hausmann, 2013, S.99 f.) vorhanden und wurde demnach früher aus diesen isoliert. Heutzutage wird sie jedoch im Labor mit Hilfe des Citratzyklus in Mikroorganismen hergestellt (vgl. ebd.).
Für die Herstellung der Gummibärchen spielt Maisstärke eine bedeutende Rolle. Bei diesem Rohstoff handelt es sich um „ein komplexes Kohlenhydrat“ (VGMS e.V., o.J.), welches während der Photosynthese entsteht und demnach in zahlreichen Pflanzen vorzufinden ist (vgl. ebd.). Zur Extraktion der Stärke wird diesbezüglich der Mais ausgewaschen (vgl. ebd.). Hierbei entstehen keine Abfallprodukte, denn auch die Nebenerzeugnisse der Produktion werden an anderen Stellen verarbeitet (vgl. ebd.). Wenn der Mais in Deutschland angebaut wird, so gilt die Stärkeindustrie als umweltfreundlich und ressourcenschonend. Unklar bleibt jedoch, ob Haribo auf diese lokale Anbauvariante zurückgreift oder ob der Mais in den dafür typischen Gebieten wie China, USA oder Brasilien hergestellt wird (Beutler, 2020). Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive wirft die Nutzung der Pflanze „Mais“ in der Industrie ein soziales Problem auf. Wenn Mais vorrangig in der Industrie verwendet wird und somit den Konsum als Lebensmittel übersteigt, treten Schwankungen im Preis auf (vgl. Frietsch, 2020). Wenn die Preise von Mais steigen, wird „auf internationalen Finanzmärkten verstärkt mit Agrargütern gehandelt” (Kalkuhl, 2020, zit. n. Wallacher, S.257). Heutzutage handeln auf den Märkten auch nicht-kommerzielle Händler, die Preisschwankungen provozieren (vgl. ebd.). Darunter leiden Menschen, die aufgrund ihres geringen Einkommens auf den einheitlichen Preis angewiesen sind (vgl. ebd.). Hinsichtlich der Herstellung der Gummibärchen von Haribo, dient die Maisstärke als grundlegendes Produktionswerkzeug.
Nachfolgend sollen auf die einzelnen Produktionsschritte genauer eingegangen werden, sodass alle aufgeführten Zutaten mit dem technischen Prozess verknüpft werden.
1) Zunächst werden prototypische Figuren aus Gips geformt und in Form von Stempeln für die Produktion vorbereitet (vgl. Haribo GmbH & Co. KG., 2022).
2) Die Zutaten „Zucker“, „Wasser“ und „Gelatine“ als Grundmasse zusammengemischt. Der enthaltene Zucker bedingt den süßen Geschmack der Gummibärchen, wohingegen die Gelatine das Beibehalten der Form und die Konsistenz der Gummibärchen ermöglicht. Damit die typische „Fruchtgummi-Masse“ (ebd.) in ihrer geschmacklichen und farblichen Vielfalt entstehen kann, werden die restlichen Zutaten untergerührt. Die Aromastoffe und der Fruchtsaft sind wichtig für den Geschmack der Gummibärchen, denn sie ahmen den Geschmack von Früchten und Obst nach. Je nach Sorte der Gummibärchen, werden somit verschiedene Aromastoffe hinzugefügt. Die Zitronensäure sorgt zudem für eine „Geschmacksabrundung und Konservierung von […] Süßwaren“ (Syldatk; Hausmann, 2013, S.99). Die Aroma- und die Farbstoffe sind aufeinander abgestimmt, sodass die jeweilige Frucht repräsentiert wird.
3) In einem nächsten Verarbeitungsschritt wird die heiße Masse in die „Puderkästen“ (Haribo GmbH & Co. KG., 2022) gegossen. Solche „Puderkästen“ bestehen aus der Maisstärke und bilden die Negativform der Gipsfigur ab (vgl. ebd.). Dementsprechend erhalten die Gummibärchen ihre markante Form.
4) Nachdem die Gummibärchen in die Form aus Maisstärke gegossen wurden, müssen sie mehrere Tage in Trockenräumen gelagert werden, um abzukühlen und auszuhärten. Die Maisstärke wird in dafür vorgesehenen Maschinen entfernt. Nach diesem Vorgang kleben die Gummibärchen jedoch aneinander, sodass eine letzte Zutat hinzugefügt werden muss. Dabei handelt es sich um „einen Überzug aus Wachs“ (ebd.), der die Gummibärchen davor schützt aneinander zu kleben, austrocknen und aufzuquellen. Der Wachsüberzug ist wasserbeständig, jedoch können hohe Temperaturen das Wachs zum Schmelzen bringen (vgl. Sieve et al., 2022, S.26).
5) Abschließend werden die Gummibärchen portioniert und verpackt, sodass sie für den Verkauf bereit sind.
Diese luftdichten Verpackungen bestehen aus Kunststoff, welche die Gummibärchen länger haltbar machen (vgl. Haribo GmbH & Co. KG., 2022). Dies hat den Vorteil, dass weniger Süßwaren weggeschmissen werden müssen. Zudem wird die Hygiene beim Transport der Gummibärchen gesichert. Aufgrund der weltweiten Plastikproblematik veränderte Haribo bereits das Verpackungsmaterial, indem „mehr als 90 Prozent recycelbar[es]“ (Anm. der Verfasserin, ebd.) Plastik benutzt wird. Dennoch verwenden sie auch heutzutage noch Unmengen an Plastik, was beispielsweise durch die Haribo-Minis deutlich wird. Diese wurden im Jahre 2019 für den Negativ-Preis „Goldener Geier“ nominiert, der die unnötigsten Plastikverpackungen auszeichnet (vgl. Deutsche Umwelthilfe e.V., 2019). Bei dieser Variante sind kleine Tüten in einer großen Plastiktüte verpackt, was weder durch die Haltbarkeit noch den verbesserten Hygieneschutz legitimiert werden kann (vgl. ebd.). Geographisch betrachtet, ist diese übermäßige Verwendung von Plastik sehr schädlich, denn es gelangt „in immer größeren Mengen in die Weltmeere“ (Shakya, 2021, S.861) und kann nicht vollständig abgebaut werden. Dies ist nicht nur „ein visuelles Problem“ (ebd.), sondern „produziert Kosten, bedroht die Gesundheit von Mensch und Tier und verschwendet knappe Ressourcen“ (ebd.).
[1] Aufgrund der Beschränkung des Leseumfangs, wurden in der thematischen Klärung nur die wichtigsten Aspekte erläutert.